Was ist eine AVWS?

Wenn ein Kind Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben hat, können ganz unterschiedliche Gründe dafür verantwortlich sein. Eine eher unbekannte Ursache ist die AVWS, die Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung.

In diesem Text erfährst du, was eine AVWS ist und was Hinweise auf diese Störung sein können.

Außerdem liest du, wer bei deinem Kind eine Diagnose durchführen kann, welche Hilfsmittel sinnvoll sein können und wer therapeutische Begleitung anbietet.

Und schließlich erhältst du Tipps, wie ihr als Familie mit der AVWS Eures Kindes umgehen könnt, welche alltäglichen Kniffe helfen können und wie du dein Kind spielerisch fördern kannst.

1. Was ist eine Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS)?

Bei der Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung kann ein Kind die Laute, die es hört, nicht richtig verarbeiten. Das Ohr funktioniert bei Menschen mit AVWS zwar einwandfrei, die Verarbeitung des Gehörten im Gehirn ist allerdings gestört.

In Fachkreisen geht man davon aus, dass zwischen 3 und 7% der Kinder von einer AVWS betroffen sind. Etwa ein Drittel der Kinder mit einer Auditiven Wahrnehmungsstörung leiden zusätzlich an Legasthenie.

Es gibt ganz unterschiedliche Ausprägungen dieser Störung. Deshalb bleibt eine AVWS oft auch bis ins Schulalter unentdeckt.

2. Was können Hinweise auf eine AVWS sein?

Wie schon gesagt kann sich eine AVWS auf ganz unterschiedliche Weise zeigen. Folgende Schwierigkeiten KÖNNEN durch eine AVWS hervorgerufen werden:

  • Schwierigkeiten mit dem Richtungshören
    Unter Richtungshören versteht man, dass eine Person wahrnehmen kann, welche Schallquelle für ein Geräusch verantwortlich ist und wo sich diese befindet. Bei Normalhörenden ist das Richtungshören unbewusst und nicht anstrengend.
    Das Richtungshören ist in unserem Alltag sehr wichtig, beispielsweise im Straßenverkehr, um feststellen zu können, woher ein Fahrzeug kommt. Aber auch bei Gesprächen spielt das Richtungshören eine wichtige Rolle.
  • Probleme beim Unterscheiden ähnlicher Laute
    Vielleicht hat dein Kind Schwierigkeiten, ähnliche Laute zu unterscheiden, wie beispielsweise [m] und [n]? Auch das könnte ein Hinweis auf eine AVWS sein. Ebenso können aber auch andere Ursachen dafür verantwortlich sein.
  • Geringe Merkspanne
    Eine geringe Merkspanne führt dazu, dass ein Kind sehr schnell das Gehörte wieder vergisst.
  • Verständnisschwierigkeiten bei lauter Umgebung
    In lauter Umgebung, in der mehrere Geräusche gleichzeitig zu hören sind, hat dein Kind möglicherweise Schwierigkeiten, das herauszufiltern, was wichtig ist. Das ist sehr anstrengend und kann bei deinem Kind zu Verständnisschwierigkeiten führen.
  • Lärmempfindlichkeit
    Wenn dein Kind Geräusche nicht gut filtern und ausblenden kann, erscheint alles gleich laut. Das kann sehr unangenehm sein und dein Kind reagiert möglicherweise mit Abwehr.
  • Verzögerte Sprachentwicklung
    Durch die Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Schall ist bei vielen Kindern mit AVWS die Sprachentwicklung verzögert.
    Oft machen sie auffällige Aussprachefehler.
  • Die fehlerhafte Verarbeitung des Gehörten kann auch dazu führen, dass ein Schulkind mit AVWS Buchstabendreher beim Schreiben macht.

Da das Störungsbild der AVWS nicht eindeutig ist, ist es wichtig, dass du dein Kind bei Verdacht darauf von einer kompetenten Person diagnostizieren lässt.

3. Wer diagnostiziert eine AVWS?

Einige der möglichen Merkmale einer AVWS, die ich dir im vorherigen Absatz vorgestellt habe, können auch andere Ursachen haben. So haben Menschen mit Schwerhörigkeit beispielsweise auch Verständnisschwierigkeiten in lauter Umgebung, können lärmempfindlich sein oder Schwierigkeiten mit dem Richtungshören haben.

Am besten lässt du zunächst bei deinem Kind abklären, ob es richtig hört. Wenn der Besuch in einer HNO-Praxis nichts ergeben hat, empfehle ich dir, einen Termin in einer Phoniatrischen/ Pädaudiologischen Fachpraxis auszumachen. Dort arbeiten Mediziner*innen, die auf das kindliche Hören und Sprechen spezialisiert sind. Hier findest du eine Datenbank von Phoniater*innen und Pädaudiolog*innen in Deutschland.

Man geht davon aus, dass sich das Gehör in jungen Jahren noch stark entwickelt und das Richtungshören beispielsweise bei sehr jungen Kindern noch nicht komplett ausgebildet ist. Daher ist erst ab dem Schulalter mit 6-7 Jahren eine sichere Feststellung einer AVWS realistisch. Verschiedene Tests geben Aufschluss über das Vorliegen einer Störung der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung. Dazu gehören Überprüfungen des phonologischen Gedächtnisses, des Sprachverstehens, der Lautunterscheidung und der phonologischen Bewusstheit.

Was ist phonologische Bewusstheit?

Mit phonologischer Bewusstheit ist die Erkenntnis gemeint, dass Wörter nicht nur eine inhaltliche Bedeutung haben, sondern auch eine äußere Form.

Normalerweise entwickeln Kinder ab dem 3 Lebensjahr die phonologische Bewusstheit und bauen diese schrittweise auf.
Auf dem Blog „Starke Sprache“ der Logopädin Wiebke Schomaker findest du einen hilfreichen Artikel zur phonologischen Bewusstheit und wie du diese mit deinem Kind trainieren kannst.

Bei der Testung auf AVWS wird auch ausgeschlossen, dass andere Störungen oder eine Lernbehinderung für die Schwierigkeiten des Kindes verantwortlich sind.

Eine AVWS ist übrigens keine Krankheit oder Behinderung. Es handelt sich um eine Teilleistungsstörung. Mit einer diagnostizierten AVWS kannst du für dein Kind einen Nachteilsausgleich beantragen, so dass es in der Schule bei Arbeiten besondere Unterstützungsangebote erhält.

4. Wer oder was kann bei einer AVWS helfen?

Wie schon erwähnt, kann sich AVWS auf ganz unterschiedliche Weise zeigen. Je nach Störungsbild kann es sinnvoll sein, dass dein Kind spezielle technische Hilfsmittel wie Hörgeräte oder Mikrofonanlagen verwendet. Diese Hilfsmittel dienen zum Ausblenden von Störschall.

Logopädische Therapie kann deinem Kind ebenfalls helfen, zum Beispiel bei der Unterscheidung von Lauten oder bei der Entwicklung der phonologischen Bewusstheit.

Auch bietet sich eine spezielle Musiktherapie für Kinder mit AVWS an, bei der die Hörwahrnehmung besonders geschult wird.

5. Was könnt ihr als Familie machen?

Im Familien-Alltag kannst du mit einfachen Tricks dafür sorgen, dass dein Kind besser zurecht kommt.

  • Eine ruhige Umgebung mit wenig ablenkenden Geräuschen hilft deinem Kind. Das ist besonders wichtig in Situationen, in denen sich dein Kind konzentrieren muss, beispielsweise bei Hausaufgaben.
  • Achte darauf, beim Sprechen mit deinem Kind Augenkontakt zu halten.
  • Verwende kurz und klare Anweisungen, um die geringe Merkspanne deines Kindes nicht zu überfordern.
  • Bei wichtigen Dingen kannst du dein Kind diese mündlich wiederholen lassen. So gehst du sicher, dass es dich verstanden hat.

6. Wie kannst du dein Kind spielerisch fördern?

Übrigens kannst du als Elternteil dein Kind auch spielerisch fördern, so dass es mit seiner AVWS besser umgehen lernt. Achte aber bitte darauf, dass du dein Kind nicht überforderst, nicht zu viel machst und der Spaß nicht zu kurz kommt.

  • Variante des Topfschlagen-Spiels:
    Je näher das Kind an einen versteckten Gegenstand kommt, desto lautere Geräusche werden gemacht.
  • Befehle trotz Musik:
    Dein Kind hört über Kopfhörer leise Musik. Du gibst währenddessen Befehle, die dein Kind ausführen muss.
  • Eine Bewegungsgeschichte erzählen:
    Du erzählst eine Geschichte und dein Kind führt die Bewegungen aus, die in der Geschichte vorkommen
  • Ticktack:
    Dein Kind muss einen tickenden Wecker suchen, den du vorher versteckt hast.
  • Malen zu Geschichten:
    Du erzählst deinem Kind eine Geschichte oder liest vor und dein Kind malt, was es hört.
  • Schmuggel-Wort:
    Du schmuggelst ein unpassendes Wort in eine Geschichte, die dein Kind gut kennt. Dein Kind muss mit einem Zeichen, das ihr im Vorfeld verabredet habt, auf das unpassende Wort reagieren, wenn du den Text vorliest.
  • Klopfen:
    Ihr klopft abwechselnd einen Rhythmen, die andere Person wiederholt den Rhythmus.
  • Vorlesen:
    Auch beim klassischen Vorlesen kann dein Kind seine Hörverarbeitung auf angenehme Weise trainieren.
  • Kofferpacken spielen:
    Abwechselnd nennt ihr Gegenstände, die ihr in einen Koffer packen wollt. Die Herausforderung: Ehe du einen neuen Begriff nennst, musst du alles wiederholen, was sich schon im Koffer befindet.

7. Weiterführende Links:

  • Die Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie informiert in einer Broschüre ausführlich auf knapp 100 Seiten über AVWS. Hier findest du den Link zu dem pdf.
  • Auf der Seite des Bundesverbands für Logopädie e.V. gibt es eine Logopäden-Datenbank (hier findest du allerdings nur Mitglieder des Bundesverbands). Hier ist der Link zu der Datenbank.
    Mein Tipp: Suche breitgestreut nach einem Logopädie-Platz für dein Kind. Eine Internetrecherche hilft dir weiter, wenn du logopädische Unterstützung für dein Kind brauchst. Es lohnt sich auf jeden Fall auch, euren Kinderarzt um Tipps zur Logopäden-Suche zu fragen.

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