Wie LRS mich fast in die Verzweiflung trieb

Auf meiner Website schreibe ich viel über LRS. Aber wie fühlt es sich eigentlich an, im ständigen Kampf mit dem Lesen und Schreiben zu sein und an sich zu zweifeln?

Ich freue mich sehr, dass meine Blogger-Kollegin Birgit Lorz in ihrem Gastartikel auf diese Fragen eingeht. Sie erzählt über ihre Schwierigkeiten, die sie in ihrer Kindheit und Jugend durch ihre LRS hatte, verrät uns aber auch ihre persönlichen Tricks, wie sie als junge Erwachsene die Sprache in den Griff bekam.

Viel Spaß beim Lesen!

Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Schultag! Wie habe ich mich auf die Schule gefreut! Endlich durfte ich (wie meine großen Schwestern) auch lesen und rechnen lernen.

Schon das letzte Jahr im Kindergarten saß ich neben meiner großen Schwester und habe ich beim Hausaufgaben machen zugeschaut. Auch wenn es ihr nicht immer Spaß gemacht hat, sah das schon sehr interessant aus. Das wollte ich auch können!

Schon die ersten Wochen in der Schule habe ich schnell gemerkt, dass Mathematik mein Steckenpferd wird. Mit Zahlen umgehen, Einmaleins auswendig lernen … und alles andere mit Zahlen fiel mir richtig leicht.

Ganz anders war es mit dem Lesen. Ich hatte mich so darauf gefreut, endlich meine Bücher selbst lesen zu können – und jetzt stammelte ich nur unverständliche Wortbruchstücke vor mich hin. Ich hätte heulen können. Meine eineinhalb Jahre jüngere Schwester (natürlich noch im Kindergarten) saß nun neben mir … und konnte die Worte und Sätze schneller lesen als ich.

Ich fühlte mich als Versager

 Auch wenn ich das Wort damals noch gar nicht kannte.

“Streng dich doch mal an” höre ich meine Mama heute noch sagen. “Das ist doch jetzt wirklich nicht schwer!” hallen die Worte meiner großen Schwestern noch in meinen Ohren.

“Was soll nur aus dir werden?” las ich in den Augen meines Lehrers

Nach sechs Monaten Schule hatte ich mit dem Lesen abgeschlossen. Ich war zu dumm dafür. Punkt. Aus. Basta. War halt so.

So schleppte ich mich von Schuljahr zu Schuljahr … als in der vierten Klasse überlegt wurde, welches Kind in welche Schule geht, war natürlich klar: Birgit geht in die Hauptschule – die kann ja kaum lesen! Dass ich in Mathematik lauter Einser schrieb und auch in den Nebenfächern (trotz meiner Leseprobleme) meist auf Zwei stand, war egal.

Ich hatte mich damals schon aufgegeben

Zu dumm zum Lesen …. hallt es mir heute noch in den Ohren.

Wenn mich mal jemand zur Seite genommen hätte und mir gesagt hätte, dass es nichts mit dumm oder faul zu tun hatte. Sondern dass bei mir die Legasthenie (heute LRS) voll zugeschlagen hat, vielleicht hätte es etwas geholfen.

Meine restliche Schulzeit habe ich in schlechter Erinnerung. Häufig wurde ich von meinen Klassenkollegen ausgelacht, weil ich selbst in der 8. Klasse kaum einen Satz richtig lesen konnte.

Trotzdem habe ich meinen Quali geschafft (in Mathe mit 1,0!) – über die Deutschnote schweige ich jetzt mal lieber ;).

Meine Berufswahl

Danach hat das Schicksal wohl gemeint, es müsse mir zeigen, dass man auch mit LRS schreiben und lesen lernen kann. Der einzige Ausbildungsplatz, den ich bekam (durch Vitamin B natürlich) war im Büro.

Eigentlich hätte das wirklich Spaß machen können – wenn meine Vorgesetzte nicht immer so gemein zu mir gewesen wäre. Natürlich war ihr nicht entgangen, wie schlecht ich lesen und schreiben konnte. Das ließ sie mich immer wieder merken.

Ich arbeitete noch einige Jahre im Büro – und ohne meine “nette” Vorgesetzte hat das dann auch wirklich Spaß gemacht.

Um LRS auszutricksen, fand ich immer neue Möglichkeiten:

  • ich schrieb nur noch am PC (mit Rechtschreibprüfung)
  • musste ich doch mal mit der Hand schreiben, hat es meine Schwester korrigiert
  • ich lernte Worte auswendig
  • ich fand MEINE Regeln, warum ein Wort so und nicht anders geschrieben wird

Aber vor allem: Ich verstand endlich, dass ich NICHT dumm bin!

LRS ist eine blöde, nervige Angelegenheit – aber ich kann da nichts dafür!

Bis ich das kapiert habe, war ich schon 30.

Was ich heute mache?

Nicht lachen!

Ich bin SEO-Expertin und Bloggerin! 

Ich lebe also vom Schreiben – und es macht mir unheimlich Spaß. Mittlerweile stören mich meine Fehler auch nicht mehr. Die Leser auf meinem Blog freuen sich über meine Tipps und wissen meine jahrelange Erfahrung zu schätzen. Dafür überlesen sie freundlicherweise meine Schreibfehler. 

Endlich ist es nicht mehr wichtig, ob Butter mit Doppel-T oder Doppel-D geschrieben wird. Endlich bin ich und mein Wissen wichtig!

Mehr über LRS und meinen Weg zur Bloggerin findest du hier.

Über Birgit Lorz

Birgit Lorz ist verheiratet, Mutter von 4 Kindern und Kaffeeliebhaberin. Sie ist bereits seit 2002 als Bloggerin im Internet unterwegs und gibt nun als SEO*-Expertin ihr Wissen an andere weiter. Auf ihrem Blog fibb.de schreibt sie über das Bloggen, Geld verdienen im Internet und natürlich über ihr Steckenpferd: SEO.

*SEO bedeutet Suchmaschinen-optimierung. Damit ist die bessere Auffindbarkeit einer Website im Internet gemeint.


Hast du vielleicht auch früher mit dem Lesen und Schreiben große Probleme gehabt und bist bereit, deine Geschichte hier auf dem Blog zu erzählen? Dann melde dich gerne bei mir: info@ilkakind.de

Ich bin nämlich der Überzeugung, dass es für Kinder mit LRS und deren Eltern sehr interessant und ermutigend sein kann, solche Lebensgeschichten zu lesen.

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