Wer ist schuld? – Warum diese Frage oft nichts bringt

Wenn unser Leben nicht ganz so verläuft, wie wir es uns vorstellen und erwarten, taucht sehr schnell die Frage auf: „Wer oder was ist schuld an der Situation?“

Diese Frage stellen wir uns nicht nur in Hinblick auf unser eigenes Leben, sondern auch, wenn es um unser Kind geht. Hat unser Sohn oder unsere Tochter Probleme in der Schule, dann wird häufig eine Person oder Sache gesucht, die schuld daran ist:

„Es liegt an der Lehrerin, die kann einfach nicht erklären!“

„Der häufige Lehrerwechsel in der Klasse ist verantwortlich für die Lücken!“

„Ganz klar, das hängt mit dem Homeschooling zusammen!“

Natürlich kann es sein, dass diese Personen oder Umstände die Probleme deines Kindes verursacht haben. Aber was bringt so eine Schuldzuweisung überhaupt?

Warum wir eine oder einen Schuldigen suchen

Die Motivation, eine*n Verantwortliche*n für die Situation zu finden, ist eindeutig. Die aktuelle Situation ist unangenehm, vielleicht unerträglich.

Wir sehnen uns danach, dass alles (wieder) in Ordnung ist. Angesichts der Probleme ist dies nicht so leicht, dann möchten wir wenigstens eine Erklärung für die aktuelle Situation haben, verstehen, wie es dazu kam.

Ein bisschen Erleichterung verschafft es uns oft schon mal, wenn wir sagen können: „xy ist schuld!“

Ich bin schuld!

Oft kommt es sogar vor, dass wir uns selber für eine Situation die Schuld geben.

Wenn unser Kind nicht richtig lesen kann, passiert es schnell, dass wir uns selber für die Probleme des Kindes verantwortlich machen. Vielleicht hätten wir mehr und länger vorlesen sollen? Und es heißt doch immer, dass Eltern ihren Kindern ein Lese-Vorbild sein sollen. Warum habe ich nicht das Handy häufiger mal weggelegt und in ein Buch geschaut? So hätte mein Kind mitbekommen, dass das etwas ganz Normales ist.

Vielleicht kennst du ähnliche Gedanken. Und dann sind dir sicherlich auch die Gefühle bekannt, die dadurch hervorgerufen werden: Scham, Unsicherheit, Hilflosigkeit, gepaart mit dem Eindruck, irgendwie klein und falsch zu sein.

Warum passiert es eigentlich so oft, dass wir uns selbst beschuldigen? Eine Coachin erklärte mir, dass für uns Menschen die Selbstbeschuldigung besser zu ertragen sei als das Gefühl der Ohnmacht. Wenn wir denken, an einer Situation selber schuld zu sein, gibt uns das immerhin die Illusion, dass wir etwas hätten ändern können. Ein ganz schön heftiges Ausweichmanöver, das uns unsere Psyche da bietet, oder?

So gesehen schützt uns die Selbstbeschuldigung vor noch heftigeren Gefühlen, mit denen wir in der Regel noch schlechter zurecht kommen. Die Schuldfrage kann allerdings ganz oft auch sinnlos oder sogar schädlich sein.

Ist das wirklich so?

Wenn Kinder streiten, hört man häufig einen Wortwechsel in der Art: „Er war´s!“ – „Nein, sie war´s!“

Kommt man als Elternteil dazu, ist es häufig nicht möglich festzustellen, wer denn nun wirklich Schuld hat.

Und seien wir mal ehrlich: Das geht uns ganz oft bei Schuldzuweisungen so. Wir können nicht sicher sein, ob das, was wir oder andere behaupten, wirklich stimmt.

Ist wirklich die Lehrkraft daran schuld, dass das Kind in der Schule nicht mitkommt? Könnte es vielleicht auch andere Gründe für die Schulschwierigkeiten geben? Können wir sicher sein, dass das Kind bei einer anderen Lehrperson nicht die selben Probleme hätte?

Sicherlich entlastet es uns im ersten Augenblick, wenn wir den Sündenbock für die aktuelle Situation benennen können. Und natürlich ist es hilfreich und sinnvoll, nach den möglichen Ursachen für ein Problem zu suchen. Nur so lässt es sich beheben und in der Zukunft vielleicht vermeiden.

Auf der anderen Seite lohnt es sich, einen Blick auf die beschuldigte Person zu werfen. Was für Schaden ungerechtfertigte Beschuldigungen bei den betreffenden Personen anrichten können, wissen wir. Jede*r hat schon von unschuldig Verurteilten gehört oder gelesen, die jahrelang im Gefängnis saßen. Das sind prominente Beispiele. Ich glaube aber, dass jede*r schon einmal in weniger gravierenden Situationen zu Unrecht beschuldigt wurde und daher weiß, wie verzweifelnd und ausweglos so eine Lage sein kann.

Durch Schuldzuweisungen schaden wir möglicherweise nicht nur anderen, sondern oft auch uns selbst. Wie das, fragst du dich?

Der Blick zurück

Wenn ich die Schuldfrage stelle, dann blicke ich zurück in die Vergangenheit. Habe ich die (vermeintliche) Ursache für die aktuellen Probleme gefunden, passiert oft Folgendes: Ich gebe die Verantwortung ab und sehe mich als das Opfer einer Person oder Situation.

Mein Blick geht immer wieder zurück, ich beklage mich und jammere. Das ist aber auch das Einzige, was ich aktiv mache. Ansonsten bin ich passiv und ändere nichts an der Situation. Schließlich bin ich ein Opfer! Aus der Sache komme ich alleine nicht heraus, dafür brauche ich Hilfe von außen!

Ich gebe zu, das ist fies und überspitzt formuliert, aber manchmal machen wir es uns in unserer Opferrolle ganz schön bequem.

Schluss mit der Schuldfrage, her mit der Verantwortung

Es ist anstrengend, herausfordernd und manchmal wirklich schwierig. Aber dennoch gibt es in meinen Augen einen guten Weg raus aus vielen problematischen Situationen: Den Blick nach vorne in die Zukunft zu richten und sein Schicksal selber in die Hand zu nehmen.

Diesen Weg zu gehen erfordert viel Kraft und Selbstbewusstsein. Häufig gibt es Rückschläge. Und doch ist er viel erfolgversprechender als in der Opferrolle zu bleiben, sich klein und hilflos zu fühlen und auf Hilfe von außen zu warten.


Ich helfe deinem Kind (und dir) gerne dabei, den passenden Lernweg zu finden, der das Schulleben leichter macht und Euch als Familie entlastet.

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